Angenehmere Lektüre mit weniger langen Zeilen!

Autorennen statt Amtsverkehr

Die CVP und ihre spassigen Sparvorschläge

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind der neue Mittelstand: Die Politiker leben nur noch für sie. Nun hat die CVP entdeckt, dass die KMU von Ämtern geplagt werden, und will Abhilfe schaffen, wie sie mit ihren letztes Wochenende präsentierten Vorschlägen verdeutlicht: mit einer «starken Vereinfachung im Steuersystem, Vereinfachungen im Verkehr mit den Behörden» und schliesslich mit einer «umfassenden Aufgaben- und Leistungsüberprüfung der Bundesverwaltung». Ziel ist nichts weniger als die «Halbierung bürokratischer Lasten», und dies nicht etwa nur für die KMU, sondern generell für «Bürgerinnen, Bürger und Wirtschaft».

Das tönt vielverprechend. Erstens füllt selten jemand Formulare aus, ohne darüber zu klagen, und zweitens ist eine Reduktion um fünfzig Prozent nicht hinzukriegen, ohne Tabula rasa zu machen mit all den Ausnahmen, die Lobbyisten, Politikerinnen und Juristen in die Gesetze packten, auf dass sie den Buchhalterinnen und Steuerbeamten das Leben zur Hölle machen.

Fidele Tabula rasa

Tabula rasa und CVP - da läutet schon die Warnglocke. Die Partei, die immer für alles steht und für das Gegenteil noch dazu, bleibt sich bedauerlicherweise treu. Auf den zwölf Seiten, die dem schönen Titel folgen, versucht sie gar nicht erst den Anschein zu erwecken, dass sie das mit der Halbierung ernst meint oder auch nur eine Ahnung hätte, wie dies zu bewerkstelligen wäre (hier ein Tipp: Politiker kreuzigen, Lobbyistinnen knebeln, Juristen auf die Galeere schicken und dann die Gesetze von Buchhaltern und Steuerbeamtinnen klar, einfach und vor allem praktikabel machen lassen).

Leider wird man auch den Verdacht nicht los, dass die CVP die eine oder andere Idee gehabt hat, sie aber unterdrücken musste, weil sie finanzielle Interessen von Christdemokraten und ihren Sponsoren verletzt hätten.

An erster Stelle beklagt die CVP den Zeitaufwand für die Sozialversicherungen, verliert aber kein Wort über die zweite Säule, die nicht nur zehnmal so hohe Verwaltungskosten hat wie die AHV, sondern auch für die Betriebe zehnmal so aufwendig ist.

Dafür klagt die CVP über die Auswirkungen der Mehrwertsteuer-Sondersätze - ein Lebensmittel im Laden wird mit 2,4 Prozent, im Restaurant mit 7,6 Prozent belastet - ohne einen Verbesserungsvorschlag zu machen. Dieser aber könnte eigentlich nur die Abschaffung der Sondersätze sein und damit eine höhere Besteuerung der Grundnahrungsmittel beinhalten, was fastenfreudige Christen nicht schrecken dürfte. Es würde aber auch das Ende des Sondersatzes für die Hotellerie bedeuten. Man darf dreimal raten, welcher Lobby wir den verdanken und welche Fraktion dabei Hilfsdienste leistete.

Mutig fordert die CVP dann eine Totalrevision der Steuergesetze zwecks «Bürokratiebefreiung», ertragsneutral natürlich. Die Zahl und Komplexität der Formulare soll «massiv reduziert» werden. Nur: Was gibt es an einer heutigen Steuererklärung noch gross zu reduzieren? Man könnte natürlich die Steuererklärungen für Unselbständige ganz abschaffen und damit Eigenmietwert, einen Haufen Schlupflöcher und neunzig Prozent des Aufwands der Steuerbehörden. Aber da könnte jemand dagegen sein, also sagt die CVP lieber nichts.

Fröhliche Reorganisation

Kommen wir zum nächsten wichtigen Punkt: Einfacherer Umgang mit den Behörden! Der grösste Gag des ganzen Papiers besteht in der Forderung, in der Verwaltung solle eine einzige Behörde für alles zuständig sein: für Sozialversicherungen und sämtliche Steuererklärungen. Man darf sich darauf freuen, bei der zuständigen Behörde keine SpezialistInnen, sondern nur noch UniversaldilettantInnen zu erreichen. Bis die Behörde Fachabteilungen schafft, jede mit einer Direktwahl, worauf wir wieder da sind, wo wir waren.

Nach der Einheitsbehörde will die CVP auch gleich eine Einheitssoftware für den Amtsverkehr, legt sich aber weder darauf fest, für welche Betriebssysteme sie zu schaffen sei, noch wie sich diese neue Aufgabe mit der ein Kapitel später geforderten Abspeckung der Verwaltung verträgt. Die Forderung zeigt immerhin, dass von den Autoren des Papiers noch niemand mit einem Programm der eidgenössischen Steuerverwaltung gearbeitet hat - wer davon gekostet hat, will bestimmt nicht noch mehr.

Im dritten und letzten Teil ihres Humorpapiers kommt die CVP auf den Höhepunkt: Aufgaben- und Leistungsüberprüfung der Verwaltung! Das hat zwar nichts mehr direkt mit dem Leiden der KMU unter dem Amtskram zu tun, tönt aber immer gut. Die Partei der Christenheit fordert nichts weniger als eine «Gesamtreform der Bundesverwaltung». Über den eigenen Mut erschrocken, vermag sie allerdings nicht anzugeben, was bei dieser Reform denn anders werden solle, und belässt die Sache bei diesen drei schönen Worten. Dafür gibt es noch mehr Gags: «Definition der Kernaufgaben!» Soll der blöde Staat doch einmal sagen, wofür er eigentlich da ist. Es ist ja schlimm genug, dass die CVP das von sich nicht weiss. Schliesslich sollen die Gesetze durchforstet, gestrafft und redaktionell bearbeitet werden. Die Seuche der arbeitslosen Germanisten scheint auch die CVP erreicht zu haben.

Bunte Leerformeln

Es folgt ein kurzes Ritardando mit den üblichen wohlfeilen, unverbindlichen, fantasielosen und nichts sagenden Sparrezepten von Politikern, die es mit niemandem verderben wollen: Stellenplafonds, natürliche Abgänge nicht ersetzen, Sparen bei Botschaften und Flüchtlingen, Struktur vereinfachen, Doppelläufigkeit aufheben, «markanter Abbau der Overheadkosten über alle Departemente und Bundesämter», frühzeitige Pensionierungen «auf ein Minimum zurückfahren», und zwar ganz besonders im VBS (praktischerweise gibt es da keinen CVP-Bundesrat).

Die CVP entblödet sich nicht einmal, festzustellen, dass die Verordnung über die eidgenössische Zählung von Turn- und Sportanlagen vom 20. August 1986 «ersatzlos gestrichen» werden könne, «da die Zählung durchgeführt wurde».

Auf dass die «bürokratischen Lasten» doch noch halbiert werden können, verlangt die CVP am Schluss, dass das Verbot von «Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen» aufzuheben sei. Dürfen wir uns schon auf den grossen Preis von Gelfingen freuen? Die Hoffnung zerschlägt sich leider bei der Nachfrage im Generalsekretariat: Das sei nur so ein Beispiel dafür, dass es eben viele alte Erlasse gebe. Die Autorennen seien heute ja nicht mehr so gefährlich, aber das heisse natürlich nicht, dass die CVP jetzt unbedingt Autorennen wolle. Man hätte es wissen können.

Muss man denn immer alles so negativ sehen? Kann man nicht auch etwas Positives schreiben? Aber gern: Die CVP ist gegen das von der Beratungsstelle für Unfallverhütung geplante Obligatorium für Velohelme. Das hat zwar nichts mit der Belastung der KMU durch Formulare zu tun, ist aber in jedem Fall gut und verhindert mindestens ein überflüssiges und schädliches Gesetz.

Christoph Kaufmann

Erstveröffentlichung am 19. Juni 2003 in der WochenZeitung WoZ.


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