Angenehmere Lektüre mit weniger langen Zeilen!

Rettung der Welt am Loebegge (Versuch)

Die gute Sache rief! Also rauf auf das Velo, vorbei an dem Niederlindacher Bauern, der lieber vor dem eigenen Stall wischte, als die Welt zu retten, über die Halenbrücke nach Bern: es musste wieder mal demonstriert werden, denn die Schweinehunde, die die Welt regieren, sollen nicht glauben, sie könnten sich einfach so treffen und gegenseitig loben, ohne dass man sie mit Widerspruch konfrontiere. Diese Begründung hat den kleinen Haken, dass sich die Schweinehunde ca. 200 Kilometer entfernt in Davos lümmeln und vom Widerspruch nichts mitkriegen, daher suchte ich auf dem Weg nach den Gründen bzw. den Schweinereien, gegen die eigentlich demonstriert werden sollte, kam ungefähr auf "Nestlé-Babymilch, die Existenz von Word für Windows und überhaupt", um am Ziel festzustellen, dass nichts davon gefragt war.

Es stellte sich nämlich heraus, dass ich versehentlich bei einer Platzkundgebung gegen den öffentlichen Verkehr gelandet war, die zeitgleich am Loeb-Egge statt fand. 400 meist schwarz gekleidete Leute standen auf den Tramgeleisen herum und nestelten an ihren Schleiern. Mit dem GA in der Tasche kam ich mir etwas blöd vor und stellte mich vorsichtshalber zu den Gaffern, die auch eher zu meiner Generation gehörten als die Baby-Punks.

So nennen die alt gewordenen 80er in der Reithalle nämlich das Jungvolk, dass vor der Reithalle herumhüpft und auf vorbeifahrende Polizeiwagen wartet, um Steine darauf abzufeuern und subito im autonomen Begegnungszentrum abzutauchen. Dieses Jungvolk machte den eindrücklichsten Teil der Platzdemo aus.

Aber nicht nur die Feinde des Tramverkehrs waren skrupellos genug, Kindersoldaten einzusetzen. Die Spezialgruppe Loebegge der Stadtpolizei, die die eigene Aufstellung offensichtlich sorgfältig mit einem Asterixband als Vorlage geübt hatte, wies mindestens zwei Exemplare in ihrer Reihe auf, die den Antikrawallschild schräg halten mussten, um darüber hinweg sehen zu können. Ich begann im Geiste ein Memorandum an die Unicef aufzusetzen.

Die Stimmung bei den Tramfeinden war ganz gut; zu keinem Zeitpunkt versuchte ein Tram die Sperre zu durchbrechen, und der Lautsprecher der städtischen Verkehrsbetriebe, der die werten Fahrgäste auf alternative Fahrmöglichkeiten aufmerksam machte, hatte einen schweren Stand gegen die begeisternden Ansprachen und den dadurch ausgelösten Jubel in der Demo, dies vor allem deshalb, weil letztere spanisch, ab Tonband und mit einem besseren Verstärker durchgegeben wurden (samt dem Jubel des Volkes; in der TV-Sitcom lacht das Publikum schliesslich auch ab Tonband, also wo ist das Problem?).

Irgendmal hatten sich alle anwesenden Babypunks persönlich begrüsst, und da der Wettkampf der Lautsprecher zu Gunsten des spanischen Jubels ab Tonband entschieden war, entstand eine kurze Pause, in der die Stadtpolizei die Meinungsführerschaft zu übernehmen suchte. Aus der Spitalgasse fuhr ein Lautsprecherwagen zur Polizeisperre, gegen den man es mit dem spanischen Tonband gar nicht erst versuchen musste. Es war offensichtlich, dass die Stadtpolizei nun im Sinne ihrer bewährten De-Eskalationsstrategie das Gespräch mit den schwarz gewandeten Kleinen suchen würde.

Der Lautsprecher begann mit "Achtung Achtung" und verscherzte sich leider bereits dadurch die Sympathien der Anwesenden. Darunter waren ein paar Leute, die eine solche Entwicklung vorausgesehen hatten und war daher in der Lage waren, ihrer Enttäuschung spontan mit den Pflastersteinen Ausdruck zu geben, die sie extra für diesen Fall mitgenommen hatten.

Da sah die Spezialgruppe Loebegge ihre Stunde gekommen und suchte die Demo von hinten zu packen wie die Reiter von Rohan die Orks vor Minas Tirith. Die beiden Baby-Cops entgingen dabei knapp einer Zertrampelung durch zurückströmende Gaffer.

Soweit mein Einsatz für die gute Sache. Da das Bollwerk unpassierbare Kriegszone war, trat ich den Rückzug über die Halenbrücke an. Radio BE1, von dem ich mir Aufschluss über das weitere Schicksal der Baby-Punks und -Cops erhofft hatte, beschied mir, dass ich nun gleich ein Auto gewinnen könne.

Wo liegt das Problem? Dass mehr Polizisten als Demonstrierende gekommen waren? Dass ausser den Baby-Punks so ziemlich niemand aufgetaucht war? Dass das Volk, das die Innenstand und sämtliche Züge verstopft hatte, als es gegen den Irakkrieg ging, nun zu Hause beim abgesagten Lauberhornrennen mitfieberte?

Ich vermute, dass es am Thema liegt. In Davos rotten sich ein paar Dutzend so genannte Führungskräfte zusammen, sondern Leerformeln ab und finden sich gegenseitig gut. Beim Loebegge tun Babypunks dasselbe. Warum sollte dies jemanden interessieren? Der Bauer in Niederlindach wischte immer noch vor dem eigenen Stall. Er hat recht.

Nachtrag: die Babypunks haben alle verulkt: die Pflastersteine waren aus Sagex.


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