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Das Steuerpaket stinkt

Inhalt


Folge 1: Familie (Def.)

WoZ 8/04 vom 19. Februar 2004

Bevor wir sehen, was Familien beim Steuerpaket gewinnen oder verlieren, sollten wir wissen, was eine Familie ist. Ein durch Eltern-Kind-Beziehung geprägter Mehrpersonenhaushalt? Das denken Sie vielleicht. Wir sind hier aber im Steuerrecht. Da geht es nicht um Kinder, sondern nur um den heiligen Bund der Ehe. Zwei Beispiele:

a) das Ehepaar X in einer städtischen Mietwohnung, mit zwei Kindern und einem Einkommen von 60 000 Franken, b) das kinderlose Ehepaar Y (es muss ja nicht unbedingt Blocher oder Kopp heissen) in seiner Villa, Einkommen vor Steueroptimierung 600 000.

An welche dieser Familien denken Sie, wenn Sie «Familien fördern» hören? Das Steuerrecht denkt an beide. Vom Steuerpaket profitiert allerdings nur das Paar Y. Warum, sehen wir in den nächsten Folgen. Da wir aber schon bei den kinderlosen Familien sind, werfen wir noch einen Blick auf die Ungerechtigkeiten, die Verheiratete gegenüber Konkubinatspaaren erleiden müssen und die das Steuerpaket angeblich zum Verschwinden bringt.

Die Ungleichbehandlung ist nicht einseitig. Konkubierende versteuern ihr Einkommen einzeln, dafür zum höheren Tarif. Verheiratete versteuern ihr Einkommen zusammen zum günstigeren Verheiratetentarif, können aber durch die Progression mehr belastet werden. Bei zwei Einkommen ist daher das Konkubinat günstiger, bei einem Einkommen die Ehe. Je nach gewähltem Einkommensbeispiel kann man schreiende Ungerechtigkeiten für Verheiratete beziehungsweise für Nichtverheiratete zeigen. Das Problem liesse sich ganz einfach dadurch lösen, dass Verheiratete tatsächlich gleich behandelt würden wie Konkubinatspaare: mit der Einzelbesteuerung.

Doch das tut das Steuerpaket nicht. Dazu fehlt nämlich der politische Wille. Denn wie wir gesehen haben, gibt es nicht nur Ehepaare, die dadurch gewinnen, sondern auch solche, die dadurch verlieren. Und wichtiger: Eine solche Lösung brächte zwar die angeblich angestrebte Gerechtigkeit, ist aber nicht mehr mit einer Umverteilung von unten nach oben verbunden - und darum geht es beim Steuerpaket. Fortsetzung folgt.
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Folge 2: Erbarmen (à la Economiesuisse)

WoZ 9/04 vom 26. Februar 2004

Wenn dir jemand sagt: Die Familien sollen entlastet werden, so sollst du ihm aber antworten und fragen: Wie viel spart bei deinen Reformvorschlägen eine Familie mit einem Einkommen von 60 000 Franken? Und wie viel eine Familie mit einem Einkommen von 180 000 Franken? Denn siehe, er wird sich um die Antwort drücken, und daran sollst du seine Absichten erkennen.

Suchet, so werdet ihr finden! Die höchst unübersichtliche Propagandawebseite der Economiesuisse bietet einen Link zu einem «Fact-Sheet», mit einem Gegenangriff: Auch Einkommen unter 150 000 Franken gewinnen!

Hätten Sie das gedacht? Sogar die Hungerleider, die nicht einmal 12 500 Franken pro Monat verdienen, sollen vom Steuerpaket profitieren! Da stellen sich eigentlich nur noch zwei Fragen: Warum muss die Economiesuisse das betonen, ist das nicht selbstverständlich? Und zweitens: Wie hoch ist dieser Profit denn?

Das «Fact-Sheet» der Economiesuisse gibt keine Antwort. Auch eine Antwort. Wenn Sies genauer wissen wollen: Sie brauchen nichts weiter, als den Steuertarif der direkten Bundessteuer hervorzunehmen. Der steckt in der Wegleitung Ihrer Steuererklärung. Nehmen Sie an, eine Familie habe zwei Kinder und ein Einkommen von 5000 beziehungsweise 15 000 Franken monatlich, das steuerbare Einkommen sei 80 Prozent des Bruttoeinkommens. Die direkte Bundessteuer macht bei der ersten Familie 9.90 Franken aus, bei der anderen 453.20 Franken.

Eine Familie mit einem Einkommen von 5000 Franken kann also durch eine Senkung der direkten Bundessteuer höchstens um 9.90 Franken entlastet werden - Familien mit noch tieferem Einkommen gar nicht mehr. Jede Senkung der Bundessteuer entlastet somit nur Leute, die genau das nicht brauchen: Allein 7 Prozent der Steuerpflichtigen kassieren 66 Prozent der Steuerausfälle.

Aber denken Sie bloss nicht, Familien mit kleinen und mittleren Einkommen gingen einfach leer aus. Die müssen vielmehr draufzahlen. Mehr dazu nächste Woche in diesem Theater.
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Folge 3: Echt subversiv

WoZ 11/04 vom 11. März 2004

Revanche! Scharfe Kampagne! Staatspolitisch bedenklich! Wird mit solchen Schlagzeilen der Versuch der Economiesuisse abgehandelt, mit einem geheim gehaltenen Budget zwischen zehn und dreissig Millionen Franken die Abstimmung vom 16. Mai zu kaufen? Zu früh gefreut. Deutschschweizer Medienleute reden über den «Blick». Der veröffentlichte in den ersten Märztagen die Auswirkungen der beiden Steuervorlagen auf die Haushalte; für jeden Lebensumstand und für jedes Einkommen. Hier hat jemand keinen Aufwand für Recherche und Berechnung gescheut und präsentiert in Form von Tabellen das Gefährlichste, was eine Zeitung veröffentlichen kann: nachprüfbare Tatsachenbehauptungen. Ein einziger Fehler, und der Ruf ist ruiniert. Die Schlagzeile fasst die Fakten ebenso knallig wie korrekt zusammen: Wer weniger als 150 000 Franken im Jahr verdient, verliert.

Die Medienleute verstehen die Welt nicht mehr. Warum tun die beim «Blick» sowas? Es könnte an der Geisteskrankheit eines Ringier-Angestellten liegen, mutmasst einer im «Bund», oder um eine Marketingmassnahme. Eine Laune der Verlegerfamilie, meint einer beim Radio. Was niemanden interessierte: ob die Angaben stimmen. (Sie stimmen. Mehr dazu im weiteren Verlauf der Steuerpaketserie .)

Medien berichten zu einem Fünftel über Fakten und zu vier Fünfteln über Meinungen zu Fakten und Meinungen zu Meinungen, schätzte der Publizist Lothar Baier schon 1987. Und in der Tat: Die Tagespresse montiert brav ihre «Die-einen-sagen-die-anderen-sagen»-Moderationen um die Propaganda der Economiesuisse herum, während Radio DRS der Einfachheit halber seit Jahren das Propagandamärchen von den entlasteten Familien nachbetet, zum Zmorge, zum Zmittag und zum Znacht.

Die Leute vom «Blick» haben Fakten recherchiert und zeigen der Leserschaft, worüber sie am 16. Mai überhaupt abstimmt, sodass sie sich in ihre eigenen Angelegenheiten mischen kann. Mit knallharten, nachprüfbaren Tatsachen. Der Unmut bei der Konkurrenz hat guten Grund: Der «Blick» hat der bequemen, recherchierfaulen, gutgläubigen, auf Inseratekunden schielenden Journaille gezeigt, was eigentlich ihr Job wäre.
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Folge 4: Kopf oder Lohn

WoZ 12/04 vom 18. März 2004

Im letzten Beitrag haben wir gesehen, dass eine Familie mit zwei Kindern und einem Einkommen von Fr. 5000.- monatlich Fr. 9.90 direkte Bundessteuern bezahlt und durch das Steuerpaket höchstens um diese Fr. 9.90 entlastet wird. Denn heraus gibt es da bekanntlich nichts. Nun bezahlt die besagte Familie aber noch andere Zwangsabgaben, zum Beispiel Krankenkassenprämien, derzeit etwa Fr. 500.- im Monat.

Gehen wir von der realistischen Annahme aus, dass die Prämien in den nächsten zwei Jahren um zehn Prozent steigen. Dann bezahlt die Familie nach Annahme des Steuerpakets im Jahr 2007 bestenfalls Fr. 9.90 weniger Bundessteuer, aber Fr. 50.- mehr Prämie. Monatliche Mehrbelastung netto Fr. 40.10.

Um überhaupt auf Fr. 50.- direkte Bundessteuer zu kommen, müsste unsere Familie Fr. 7400.- brutto verdienen. Um auf Fr. 500.- zu kommen - also gleich viel Bundessteuer wie Krankenkassenprämien - müsste das Monatseinkommen bei Fr. 15 450.- liegen. Was soll das, höre ich Sie schreien, das Steuerpaket hat doch nichts mit den Krankenkassen zu tun! Es hat sehr viel damit zu tun, und zwar nicht nur wegen der Prämiensubventionen, die bei Sparübungen der Kantone (zum Beispiel wegen des Steuerpakets) zuoberst auf der Abschussliste stehen.

Das Parlament bestimmt, dass man direkte Bundessteuern zahlen muss, und zwar mehr, wenn man Einkommensmillionärin ist und nicht Denner-Verkäufer. Dass alle Krankenkassenprämien zahlen müssen, und zwar Arm und Reich genau gleich viel, und immer höhere, beschliesst ebenfalls das Parlament (beziehungsweise dessen ewige Mehrheit aus FDP/SVP/CVP).

Nun könnte das eidgenössische Parlament statt die direkte Bundessteuer die Krankenkassenprämien senken, sei es durch Prämiensubventionen, sei es durch einen höheren Anteil der öffentlichen Hand an der Finanzierung des Gesundheitswesens. Doch damit würde es, statt Geld von unten nach oben zu verteilen, die Familien entlasten. Und das will ja wohl niemand!
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Folge 5: Und die MWSt stinkt mit

WoZ 13/04 vom 25. März 2004

Unsere Beispielfamilie (Monatslohn 5000 Franken brutto) macht beim Steuerpaket dank der Krankenkopfsteuer nicht vor-, sondern rückwärts, und zwar von Jahr zu Jahr mehr - so weit waren wir letztes Mal. Das ist schon schlimm, aber es kommt noch schlimmer.

Unsere Beispielfamilie zahlt schliesslich auch noch Mehrwertsteuer. Die kommt nicht via Steuerrechnung, lastet aber auf allen Einkäufen, selbst auf Trambilletten und Lebensmitteln. In der Krankenkassenprämie und in der Miete steckt sie als Taxe occulte ebenfalls.

Gehen wir von monatlichen Ausgaben von 4500 Franken aus, die im Schnitt mit 4 Prozent MwSt. belastet sind. Das sind schon mal 180 Franken. Wird die MwSt. um einen Prozentpunkt erhöht, zahlt die Familie 45 Franken mehr pro Monat. Und da das Sparpaket unsere Familie monatlich maximal um Fr. 9.90 entlastet, zahlt sie alleine wegen der MwSt.-Erhöhung netto Fr. 35.10 mehr. Über die nächste Erhöhung der MwSt. stimmen wir sinnigerweise am gleichen Tag ab wie über das Steuerpaket. In der Summe werden die Steuern also gar nicht gesenkt, es wird nur umverteilt, und zwar von unten und aus der Mitte nach ganz, ganz oben.

Dass nämlich die direkte Bundessteuer fast nichts, die Mehrwertsteuer viel mehr und die Krankenkopfsteuer sehr viel des Haushaltbudgets fressen, das liegt am Monatseinkommen unserer Beispielfamilie; 5000 Franken sind knapper Durchschnitt. Ab 15 000 Franken im Monat ist das Verhältnis der Belastung durch die drei Steuern umgekehrt, da beginnt das Steuerpaket zu rentieren. Je höher das Einkommen, desto mehr.

Wir rekapitulieren: Familien mit Einkommen unter 15 000 Franken im Monat - also fast alle - zahlen viel mehr MwSt. und sehr viel mehr Krankenkopfsteuer als direkte Bundessteuer. Das eidgenössische Parlament hat beschlossen, dass von diesen drei Steuern die direkte Bundessteuer gesenkt und die anderen beiden erhöht werden. Man hätte es ebenso gut umgekehrt machen können. Aber dann hätte man keine Umverteilung von unten nach oben erwirkt, sondern Familien entlastet. Und das will ja wohl niemand!
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Folge 6: Christlich lügen

WoZ 14/04 vom 1. April 2004

Das Steuerpaket ist in Verruf gekommen. Was tun? Die Economiesuisse weiss Rat: Schluss mit den Halbwahrheiten! Ab sofort wird direkt gelogen.

Die neusten Töne stammen von Frick, Bruno, CVP-Ständerat und Steueranwalt. «Der Steuerdruck wird mit dem Steuerpaket vor allem für den Mittelstand kleiner», schreibt er in Inseraten. Das ist eine bemerkenswerte Aussage: Eine Familie mit einem Einkommen von 80 000 Franken spart jährlich ganze 187 Franken (0,2 Prozent des Einkommens), eine Familie mit einem Einkommen von einer halben Million hingegen 44-mal so viel: 8255 Franken (oder 1,6 Prozent des Einkommens). Da fragt sich: Wie definiert Frick seinen Mittelstand? Und vor allem: In welcher Hölle schmoren lügende Politiker?

Wir gelangen direkt an Bruno Frick: Entscheidend sei, sagt er, dass die Familie mit dem Einkommen von 80 000 Franken ohne Steuerpaket 187 Franken Bundessteuer bezahlt und mit Paket gar keine mehr. Das sei die grösstmögliche Entlastung, also profitiere der Mittelstand am meisten.

Erstaunlich, aber es kommt noch dreister: «Das Steuerpaket entlastet ganz besonders Familien mit kleinen und mittleren Einkommen.» Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Eine einfache Auskunft bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (oder ein Blick in den Steuertarif) ergibt, dass Familien mit Einkommen bis 60 000 Franken keinen Rappen sparen (sondern dank der gleichzeitig geplanten Mehrwertsteuererhöhung noch draufzahlen). Das ist in der Tat eine «ganz besondere» Art der Entlastung.

Doch Frick weiss auch hier noch etwas zu sagen: 60 000 Franken, das sei kein kleines Einkommen. Sondern? Ein «ganz kleines». Und von «ganz kleinen» Einkommen stehe im Inserat schliesslich nichts. Nur von «kleinen und mittleren». Raffiniert. Wären Sie darauf gekommen?

Dann sagt Frick noch: Aber mit der ganzen Buchhalterei soll man ihm bitte nicht kommen, er kenne die Tabellen. «Und Sie kennen sie auch», er müsse jetzt an eine Sitzung. In welcher Hölle schmoren eigentlich buchhalterfeindliche Politiker?
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Folge 7: Profitieren Sie?

WoZ 15/04 vom 8. April 2004

In den letzten Folgen haben wir gesehen, dass das Steuerpaket Geld von unten und aus der Mitte nach ganz oben verteilt und Familien nicht ent-, sondern belastet. Nun lesen Sie aber in den Inseraten, die bis zur Abstimmung für zehn Millionen Franken geschaltet werden, dass es Steuerabzüge von 9300 Franken pro Kind gibt. Was stimmt denn nun?

Die Abzüge werden tatsächlich erhöht. Das bedeutet aber nicht, dass eine Familie pro Kind 9300 Franken weniger Steuern zahlen muss, sondern dass sie so besteuert wird, also ob ihr Einkommen pro Kind um 9300 Franken tiefer wäre, als es ist. Entsprechend tiefer ist dann der zu zahlende Steuerbetrag. Wer wie unsere Beispielsfamilie im Monat Franken 9.90 zahlt, spart durch den höheren Abzug 7 Franken, wobei dieser Abzug durch die Erhöhungen von Mehrwert- und Krankenkopfsteuern überkompensiert wird.

Bereits die heute geltenden Kinderabzüge ersparen unserer Beispielsfamilie mit 5000 Franken Einkommen Franken 12.10 direkte Bundessteuer pro Monat, einer Familie mit 15 000 Franken Monatseinkommen Franken 211.65, also 17-mal so viel (das Steuerpaket wird diesen Unterschied noch erhöhen). Der Steuerrabatt bei dreifachem Einkommen ist für zwei Kinder hier also schon 17-mal höher - kosten denn auch die Kinder 17-mal so viel? In der Beratung des Steuerpakets wurde vorgeschlagen, die Kinder von Leuten mit kleinen und mittleren Einkommen nicht besser, aber doch wenigstens gleich zu behandeln wie in der obersten Einkommensklasse: Die Abzüge sollten direkt vom geschuldeten Steuerbetrag gemacht werden, für jedes Kind gleich viel. Die so genannten Steuergutschriften wurden abgelehnt. Die Begründungen waren a) das sei Sozialismus (SVP), b) man könne doch bei den Steuern nicht noch herausgeben (FDP, die bei der Mehrwertsteuer der Exportindustrie problemlos herausgeben kann), c) das benachteilige den Mittelstand (CVP).

Gleich hohe Steuergutschriften für alle statt Steuerabzüge wären in der Tat nachteilig für Leute mit Einkommen über 15 000 Franken pro Monat. (Damit wissen wir endlich, was Bürgerliche meinen, wenn Sie von der Entlastung des Mittelstandes reden.) Für alle anderen wären Steuergutschriften vorteilhaft. Diese anderen machen 90 Prozent der Bevölkerung aus. Doch ein solches System würde kein Geld von unten und aus der Mitte nach ganz oben verteilen, sondern Familien entlasten - und das will ja wohl niemand!
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Folge 8: Steuern runter, Steuern rauf

WoZ 16/04 vom 15. April 2004

Wir haben gesehen, dass eine Familie mit zwei Kindern und 5000 Franken Monatseinkommen mit dem Steuerpaket nicht gewinnt, sondern verliert, weil gleichzeitig die Mehrwertsteuer und die Krankenkassenprämien (eine versteckte Kopfsteuer) erhöht werden. Die Rechnung ging so:
Steuerpaket: - 9.90 Fr.
Krankenkasse: + 50.00 Fr.
Mehrwertsteuer: + 35.00 Fr.
Per Saldo zahlt die Familie monatlich also Franken 75.10 mehr Steuern. Erfreulich ist die Rechnung erst ab einem Familieneinkommen von 15 000 Franken monatlich.

Es wird Sie kaum überraschen, dass es noch schlimmer kommt. Grund ist die Einkommenssteuer im Wohnkanton: Das Steuerpaket lässt sie steigen.

Den meisten Kantonen geht es schlecht; die Krise hat die Einkommens- und Gewinnsteuern einbrechen lassen, zusätzlich haben die Bürgerlichen vielerorts Einkommenssteuern für die Reichsten gesenkt und als Dreingabe die Erbschaftssteuern abgeschafft. Entsprechend wird nun gespart: Im Kanton Bern sollen mehr und mehr Ortschaften den Anschluss an den öffentlichen Verkehr verlieren, im Kanton Zürich werden Schulklassen zusammengelegt. Und es reicht immer noch nirgends hin: Der Zürcher Finanzdirektor Christian Huber, Mitglied der SVP, verlangt einen höheren Steuerfuss. Und dies schon heute, noch ohne Steuerpaket.

Das wird die Kantone mehrfach belasten. Einerseits verlieren sie ihren Anteil an den ausgefallenen direkten Bundessteuern, andererseits müssen sie ihr Steuersystem dem Steuerpaket anpassen. Die Kantone verlieren total 2,5 Milliarden Franken. Das ist sehr viel mehr, als sich nebenbei irgendwo einsparen lässt. Nach einem Jahrzehnt der Sparrunden sowieso.

Einige Kantone werden das Problem mit einer Schuldenberg- und Zinszahlungspolitik à la Bush verschieben und verschärfen. Die klügeren werden die Einkommenssteuern so schnell wie möglich erhöhen.

Direkte Bundessteuer runter, Kantonssteuer rauf: Das ist für unsere Beispielsfamilie leider nicht Hans was Heiri. Die direkte Bundessteuer ist mit mittleren und kleineren Einkommen wesentlich gnädiger als die Kantonssteuer. Unsere Familie macht ein drittes Mal rückwärts. Und auch bei dieser Umverteilung stehen erst Familien ab einem Monatseinkommen von 15 000 Franken auf der richtigen Seite.
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Folge 9: Eine Gegendrehung? Zwei!

WoZ 17/04 vom 22. April 2004

Am 16. Mai ist eine dringend nötige Gegendrehung der Steuerschraube fällig, sagt uns die NZZ. Die Tendenz zu immer höheren Abgaben muss gebrochen werden, meint Obergewerbler und FDP-Nationalrat Pierre Triponez. Beide haben mehr als Recht: Es sind nämlich zwei Schrauben am Drehen.

Vor den Wahlen 1987 hat die CVP entdeckt, dass man die direkte Bundessteuer für reiche, vorwiegend kinderlose Eheleute senken kann, wenn man sie «Familien» nennt - seither dreht die Steuersenkungsschraube:

Das Steuerpaket setzt hier nahtlos an: weniger Steuern für HausbesitzerInnen, für Leute mit Einkommen über 150 000 Franken und auf den Wertschriftenhandel. Die Drehungen dieser Schraube haben eine Gemeinsamkeit: Sie bedienen ausschliesslich Leute mit hohen und höchsten Einkommen. Dass die Steuereinnahmen trotzdem nicht sinken, hat mit der zweiten Schraube zu tun, der Steuererhöhungsschraube: Die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer setzt hier nahtlos an.

Bund und Kantone haben zwischen 1990 und 2000 den Anteil der Gebühren an ihren Einnahmen von 16,9 auf 19,3 Prozent erhöht. All diese Steuererhöhungen haben etwas gemeinsam: Sie betreffen Steuern, die nicht vom Einkommen abhängen und darum die Klein- und MittelverdienerInnen überproportional belasten.

Im Zusammenhang mit Steuern wird immer wieder das Wort Umverteilung gebraucht. Zu Recht. Die Umverteilung hat glänzend funktioniert. Das verfügbare Einkommen der ärmsten 10 Prozent hat in der Schweiz zwischen 1990 und 1998 um 15,3 Prozent abgenommen. Insgesamt wurden im letzten Jahrzehnt drei Viertel der Bevölkerung ärmer. 15 Prozent stagnierten. Nur das verfügbare Einkommen der reichsten 10 Prozent stieg an, und zwar um 12,4 Prozent. Errechnet hat diese Zahlen das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco).

Am 16. Mai müssen zwei Steuerschrauben gestoppt werden: Mit einem Nein zur Erhöhung der Mehrwertsteuer die ununterbrochene Erhöhung der Gebühren und Abgaben, mit einem Nein zum Steuerpaket die ununterbrochenen Geschenke an die Reichen.
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Folge 10: Billiger wohnen

WoZ 18/04 vom 29. April 2004

Haben Sie Ihre Steuererklärung schon ausgefüllt? Und die Miete am richtigen Ort abgezogen? Nein? Warum nicht? Die Zeile dafür nicht gefunden? Sie müssen auch nicht suchen. Mietabzug gibt es nicht, genauso wenig wie Lebensmittelabzug.

Wenn Sie also Ihre Wohnkosten nicht bei den Einkommenssteuern abziehen können, trösten Sie sich damit, dass die anderen das auch nicht dürfen. Trösten Sie sich aber nicht zu sehr: WohneigentümerInnen dürfen nämlich.

WohneigentümerInnen zahlen keine Miete, aber Hypozinsen und Unterhaltsrechnungen. Und so etwas darf man immer abziehen, weil das Steuerrecht davon ausgeht, dass in der Schweiz nur Bauern und Kleingewerblerinnen leben, bei denen die Zinsen und Unterhaltskosten zum Geschäftsaufwand gehören. Das Problem: Ein Teil dieser Abzüge ist fürs private Wohnen und somit kein abziehbarer Geschäftsaufwand. Aber welcher?

Das heutige Steuersystem korrigiert den Abzug mit einem Abzug vom Abzug, dem so genannten Eigenmietwert. Das ist ein Pauschalbetrag, der sich an vergleichbaren Mieten orientiert und es Steuerpflichtigen und -behörden erspart, herauszufinden, welcher Zins- und Unterhaltsfranken jetzt privat und welcher geschäftlich ist. Bei den erwähnten Bauern und Kleingewerblerinnen ist das eine gute Methode. Bei der mittlerweile erdrückenden Mehrheit der WohneigentümerInnen ist sie völlig sinnlos, weil die gar keine geschäftlichen Zins- und Unterhaltskosten haben. Dafür verbringen die Steuerämter den grössten Teil ihrer Arbeitszeit im Streit mit den WohneigentümerInnen über die richtige Höhe des Eigenmietwerts.

Das Steuerpaket bringt nun folgenden Systemwechsel: Die Abzüge für den Unterhalt bleiben, die für den Zins bleiben während 15 Jahren, abgeschafft wird nur der Eigenmietwert. Kurz: Die unzulässigen Abzüge bleiben - nur deren Korrektur wird abgeschafft!

Die Wohneigentümer - schon mit dem alten System bevorzugt, weil die Eigenmietwerte tiefer waren als die zu korrigierenden Abzüge - sparen insgesamt 1,8 Milliarden Franken zusätzlich an Steuern. Sie können weiterhin (und neu ohne Korrektur) Wohnkosten bei den Steuern abziehen; Mieter wie bisher keinen Rappen.

Natürlich könnte man den Eigenmietwert auf einfachere Art loswerden: Ausgaben fürs Wohnen werden nicht mehr abgezogen, also braucht es keine Korrektur. Doch ein solcher Systemwechsel würde kein Geld von Mietern zu Wohneigentümern (also von unten nach oben) umverteilen, sondern brächte lediglich Gleichbehandlung für alle und wäre somit am Ende auch noch vorteilhaft für Familien, die sich kein Wohneigentum leisten können. Und Familien entlasten will ja wohl niemand.
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Bonusfolge: implodierende Finanzexplosionen

WoZ 18/04 vom 29. April 2004

Die Kantone sollen ihre Hausaufgaben machen, statt über das Steuerpaket zu jammern! Die Economiesuisse hat noch ein paar Hunderttausender nachgelegt und eine weitere Inseratekampagne losgetreten. Die Botschaft: Die Ausgaben der Kantone seien zwischen 1990 und 2002 von 41 auf 66,7 Milliarden Franken explodiert; die Kantone könnten offensichtlich nicht haushalten; die Ausfälle durch das Steuerpaket seien vergleichsweise klein.

Die Economiesuisse lügt immer dreister:

Erstens beginnt jedes anständige Steuergejammer mit der Klage über die Staatsquote (Anteil des Staates an der Wertschöpfung). Dieses nicht. Lieber vergleicht man einen Franken von 1990 mit einem Franken von 2002. Damit flöge man in Ökonomie zwar aus dem ersten Semester, aber es sieht halt herrlich dramatisch aus.

Zweitens ist die Rechnung ein Etikettenschwindel: Die 66,7 Milliarden enthalten Bundesgelder, die via Kantone ausgeschüttet werden, von diesen aber nicht beeinflusst werden können: Landwirtschaftliche Direktzahlungen, Arbeitslosenversicherungsbeiträge, Krankenkassenprämienverbilligungen.

Drittens verdonnert der Bund die Kantone laufend zu zusätzlichen Ausgaben. Die BundesparlamentarierInnen tun nichts lieber, als neue Leistungen zu beschliessen, die den Bund nichts kosten. «Die Kantone sorgen für ...», heisst es in den Beschlüssen dann schön und gratis.

Viertens befiehlt dasselbe Parlament diesen Kantonen auch noch Steuergeschenke.

Fünftens gibt es den Föderalismus immerhin noch in einem Punkt: Die Schuld soll bei den Kantonen liegen.
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Folge 11: Geldspuren

WoZ 19/04 vom 6. Mai 2004

Die meisten Verbrechen werden aus Gewinnsucht begangen. Wenn Sara Paretskys Detektivin V. I. Warshawski Ermittlungen aufnimmt, folgt sie darum der Spur des Geldes. Das ist unromantisch, aber erfolgreich. Untersuchen wir einmal das Steuerpaket nach diesem Kriterium!

Die erste Spur: Wir haben gesehen, dass von der Senkung der direkten Bundessteuer in Kombination mit der absehbaren Erhöhung der Mehrwertsteuer, der Krankenkopfsteuern und der Kantons- und Gemeindesteuern alle verlieren. Alle ausser jene, deren Einkommen über 150 000 Franken pro Jahr liegt. In der Bevölkerung machen die den kleinsten Teil aus. Bei den bürgerlichen Parlamentariern, die das Steuerpaket beschlossen haben, den grössten. Und bei denen, die ihnen die Wahlkämpfe und Abstimmungen finanzieren, ebenfalls.

Die zweite Spur: Wir haben gesehen, dass mit dem Steuerpaket die Wohneigentümer Wohnkosten bei den Steuern abziehen können, nicht aber die Mieter. Daraus ergibt sich eine Subventionierung der Wohneigentümer durch die Mieter: Letztere zahlen quasi Steuern an (oder für) Erstere. Nun sind die Mieter in der Schweiz in der Mehrheit; dass sie sich so etwas antun, wäre unwahrscheinlich. Im Parlament hingegen sind die Wohneigentümer in der Mehrheit.

Warum sind die Stadtregierungen gegen das Steuerpaket? Weil die Leute, die durch die indirekten Folgen des Steuerpakets in die Bedürftigkeit abrutschen, viel öfter in Städten als in Landgemeinden stranden.

Und warum ist der Verband der Schweizer Gemeinden dafür? Weil in diesem Verband die Landgemeinden dominieren. Deren Gemeindebehörden sind meist Wohneigentümer und profitieren vom Steuerpaket.

Und warum ist der Hauseigentümerverband dafür? Und der MieterInnenverband dagegen? Die Aufzählung langweilt Sie längst. Sie waren aber gewarnt: Dem Geld zu folgen, ist nicht interessant. Nur erfolgreich.

Familien fördern? Mittelstand entlasten? Dass dies schamlose Lügen sind, kann man mit wenigen einfachen Rechnungen feststellen (siehe Folgen 1 bis 9). Schneller zum Ziel führt die Frage, wer in der Lage ist, für x Millionen Inserate zu schalten. Und was für Motive diese edlen Spender haben. Lernt von V. I. Warshawski. Oder von Gordon Gekko: "Kid, it's all about bucks!"
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Folge 12: Zeichen und Wunder

WoZ Nr. 20/04 vom 13. Mai 2004

"Sie träumen! Ich habe schon viele Steuerabstimmungen gemacht und noch nie eine verloren. Da bin ich gelassen."
Gerold Bührer, 2001, über ein mögliches Referendum gegen das Steuerpaket

Gelassenheit kriegt man nicht gratis. Hinter uns liegt die teuerste Abstimmungskampagne der Schweiz. Mit täglich zwei Inserateseiten in jeder grösseren Zeitung setzte Economiesuisse in den letzten beiden Wochen noch einen drauf. Was kostet das alles?

Die Economiesuisse schweigt wie immer. Sie gab aber einmal an, etwa 10 Millionen Franken für die Uno-Abstimmung ausgegeben zu haben. Erinnern Sie sich noch an die? Wie viele Plakate, wie viel Inseratefläche haben wir jetzt gesehen? Dreimal so viel? Fünfmal so viel? Zehnmal so viel?

Die Zahlungsbereitschaft braucht nicht zu erstaunen. Mit dem Steuerpaket und der gleichzeitigen Erhöhung der Mehrwertsteuer werden pro Jahr 5 Milliarden Franken von unten und aus der Mitte nach ganz oben verschoben. Betriebswirtschaftlich wäre auch eine 20 Milliarden Franken teure Kampagne sinnvoll: Im fünften Jahr käme die Rendite.

So es denn klappt. Lässt sich der Volkswille kaufen? Die Erfahrung spricht dafür. Wenn in einer Volksabstimmung eine Seite doppelt so viele Inserate schaltet wie die andere, gewinnt sie.

Die wenigen Vorlagen, bei denen die Volksabstimmung grundsätzlich nicht käuflich ist, nennt man prädisponiert. Das heisst, dass die Stimmenden die Frage aus ihrer Alltagserfahrung heraus einordnen und bewerten können und ihnen keine Kampagne etwas vormachen kann. Typische Fälle von prädisponierten Vorlagen sind die Abschaffung der Armee (1989 und 2001), die Fristenlösung (2002), die Verscherbelung der allen als gut funktionierend bekannten Stromversorgung (EMG, 2002).

Das Steuerpaket ist nicht prädisponiert. Wer wissen will, was dahinter steckt, muss sich in die Materie einlesen. Das tun einige, und die Medien berichten auch immer wieder. Doch die Inserate haben ein grösseres Publikum, und sie bombardieren es täglich, seit mehr als drei Monaten. Wenn dies die Vorlage nicht entscheidet, wäre es das erste Mal in der Geschichte der direkten Demokratie in der Schweiz.

Ein Wunder kurz vor dem Papstbesuch? Es wäre höchste Zeit.

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Nach der Schlacht

Wie weiter? In sieben Schritten zu gerechteren Steuern

Zum Steuergrundkurs

Zum Director's Cut: dem Urtext über Altersvorsorge, Steuern und Buchhaltereien.

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