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Der grosse Familienförderungsschwindel

Was die bürgerlichen SteuerpolitikerInnen unter Familienförderung verstehen und wie man die Familien wirklich entlasten könnte, wenn man es wollte.

Steuererleichterung für die traute Familie - ist das etwa nicht gut? Als das Steuerpaket mit saftigen Senkungen für eine Kleinstgruppe von Reichen und Superreichen und einer ebenso saftigen Erhöhung für alle anderen (siehe letzte WoZ) vor zwei Jahren als Botschaft des Bundesrates ins Parlament und in die Nachrichten kam, begegnete mir die Geschäftsführerin eines so genannten Non-Profit-Unternehmens und strahlte über sämtliche verfügbaren Backen, weil sie, wie sie sagte, jetzt ja weniger Steuern zahlen müsse.

Wie wir inzwischen wissen, hat sie sich da getäuscht, denn bei dem Paket (das eben wieder vom Nationalrat in den Ständerat wandert) müsste sie schon weit über 100 000 Franken jährlich verdienen (was sie nicht tut), um weniger statt mehr Steuern zu zahlen. Besser gesagt, sie wurde getäuscht, und das ist in diesem Fall ein starkes Stück: Die Frau war jahrelang bei einer Zeitung als Inlandredaktorin tätig gewesen. Sie freute sich, weil sie die Kantons- mit der direkten Bundessteuer verwechselte. Wenn Normal- bis Wenigverdienende über hohe Steuerrechnungen stöhnen, meinen sie immer die Kantonssteuer - wer würde da eine Entlastung nicht begrüssen? Der in diesem Artikel besprochene Umbau von der Bundes- zur Mehrwertsteuer bringt da aber überhaupt nichts (vgl. Modellrechnung weiter unten). Die oft unterlassene Unterscheidung zwischen Kantons- und Bundessteuern ist im Übrigen ein wichtiger Grund für den Erfolg des Steuerschwindels.

Nachrechnen!

Die faktenwidrige Propaganda der bürgerlichen Umverteiler ist also äusserst effektiv; wer - ausser ein paar perversen Steuerfetischisten und dem rührigen Bundesratsaspiranten Rudolf Strahm - soll das falsche Spiel überhaupt noch durchschauen? Liegt es am Staat? Am System? An den Genen? An der Erziehung? Am zu vielen Fernsehen? Was ist politisch und was ist privat?

Ich schimpfe auf Faulheit und daraus resultierende Leichtgläubigkeit, auf mangelnde Disziplin sozusagen. Es wäre doch so einfach. Wenn einer daherkommt - und vor jeder Wahl kommt sowieso ein christlicher Politiker daher (vgl. Kasten) - und die Familien mit einer Steuerreform finanziell entlasten will, so bedarf es keiner Fachkenntnis, eine einfache Frage zu stellen: Wie viel Steuern zahlt eine Familie mit 40 000 Franken und eine Familie mit 140 000 Franken Jahreseinkommen vorher und nachher?

Das sagt schon mal einiges.

Und wer mehr haben will, kann noch ergänzen: Und wie viel unter Einbezug der letzten sowie der nächsten Erhöhung der Krankenkassenprämien und der Mehrwertsteuer?

Das sagt noch viel mehr.

Kein bürgerlicher Familienförderer versieht seine Steuerumbaupläne mit diesen oder ähnlichen Fallbeispielen. Sie würden nämlich zeigen, dass Leute mit sehr hohen Einkommen Geld sparen und Leute mit kleinen und mittleren Einkommen mehr zahlen werden (die Grenze liegt je nach familiären Umständen irgendwo bei 100 000 Franken). Doch kaum einE JournalistIn einer grossen Zeitung hakt nach. Der Ressortchef nimmt nämlich sich zum Massstab - er gehört zu der Minderheit, die es erstens nicht nötig hat und zweitens trotzdem entlastet wird, weil das Projekt bedeutet, dass die Reichen zulasten der Armen gefördert werden, und nur aus Verkaufsgründen Familienförderung heisst.

Familienfreundlich?

In dieser Geschichte gibt es ein illustratives Detail: Kinderabzüge. Beim Steuerpaket standen zwei Modelle zur Wahl:

a) Pro Kind muss die Familie einen festen Betrag, zum Beispiel 6000 Franken, weniger zahlen. Leute mit kleinem Einkommen, die weniger als 6000 Franken direkte Bundessteuer bezahlen, würden Geld herausbekommen. Der Betrag des Steuerausfalls, den der Bund für Familien mit Kindern in Kauf nimmt, würde dadurch auf alle Kinder gleichmässig verteilt.

b) Pro Kind gibt es einen Abzug vom Reineinkommen. Der Kinderabzug senkt somit das steuerbare Einkommen und dadurch indirekt den zu zahlenden Betrag. Wegen der Progression ist der Steuerausfall bei Leuten mit hohem Einkommen sehr viel höher als bei Leuten mit weniger hohem. Familien mit tiefem Einkommen haben überhaupt nichts von diesem System.

Die SP hat die Modellrechnungen für diese beiden Varianten gemacht: Variante a) ist günstiger für alle mit Einkommen unter 180 000 Franken, Variante b) ist günstiger für alle mit Einkommen über 180 000 Franken. Die immer gleiche Mehrheit von SVP, FDP und CVP wählte natürlich Variante b). Wortführer Villiger hatte noch ein schönes Argument parat: Es gehe doch nicht, dass Leute Geld herausbekämen, statt dass sie Steuern bezahlten. Was er dabei - aus Unwissen oder Kalkül, vermutlich aus einer Mischung von beidem - unterschlug:

· Seit die Mehrwertsteuer die Warenumsatzsteuer WUSt abgelöst hat, kriegt die Exportindustrie nur noch heraus. Jedes Quartal Millionen. Wenn die Empfänger viel Geld haben, kann der Bund also doch herausgeben. Nur bei Familien mit Einkommen unter 180 000 Franken geht es offenbar nicht (ausser im Kanton Tessin, dort gilt bei der Kantonssteuer Variante a).

· Die Familien, die bei Variante a) bei der direkten Bundessteuer herausbekämen, zahlen immer noch mehr an Steuern, als es zurückgibt - wie immer bei den familien- und mittelstandsfreundlichen Steuerreduktionen bleiben die Krankenkassen-Kopfsteuern und die Mehrwertsteuer unerwähnt.

Zeit für ein erstes Fazit: Wie immer vor eidgenössischen Wahlen wird die direkte Bundessteuer familienfreundlicher. Familien mit Einkommen über 180 000 werden wesentlich entlastet. Die anderen zahlen mehr.

Familienfeindlich!

Die bundesrätliche Botschaft zu dieser Umverteilung von tiefen und mittleren zu den höchsten Einkommen kam gleich nach der Debatte über Verkäuferinnenlöhne und Existenzminima heraus. Mit dem Verkaufsargument Familienfreundlichkeit konnte das Steuerpaket von der Debatte profitieren. Dass nur die Reichsten entlastet und alle Familien in prekären Verhältnissen belastet werden, darüber brauchte man nicht einmal zu lügen. Wo die JournalistInnen zu doof zum Nachfragen sind (oder ihr Chef Partei ist), genügt das Verheimlichen vollauf (hier muss etwas Schurni-Schelte sein - damit kein Leser auf die Idee kommt, ich sei in Wirklichkeit ein solcher und gar kein Buchhalter).

Nehmen wir einmal an, der Bund wolle Familien in prekären Verhältnissen tatsächlich finanziell entlasten. Wie müsste das aussehen? Bevor wir entlasten können, müssen wir überhaupt wissen, was belastet und vom Bund beeinflusst wird. Das ist in Reihenfolge der Wichtigkeit für Leute mit tiefen und mittleren Einkommen:

1. Die Miete, deren Höhe das eidgenössische Miet-, Boden- und Steuerrecht mitbestimmt. Das gegenwärtige Mietrecht lässt die Mieten endlos klettern.

2. Die Krankenkassenprämien: Der Bund hat im KVG festgelegt, dass diese als Kopfsteuern erhoben werden müssen. Dies ist völlig unnötig und dient nur dazu, Reiche auf Kosten der Armen zu entlasten. Kein anderes europäisches Land kennt ein solches System. Darum am 18. Mai «Ja» zur Initiative «Gesundheit muss bezahlbar bleiben» einlegen!

3. Die Mehrwertsteuer: Sie belastet alle Güter des täglichen Bedarfs.

4. Die direkte Bundessteuer: Eine dreiköpfige Familie zahlt bei 3000 Franken Monatslohn jährlich 16 Franken (Fr. 1.33 pro Monat), bei 6000 Franken Lohn 516 Franken (43 Franken pro Monat), bei 14 000 Franken Lohn 6452 Franken (538 Franken pro Monat).

Was schliessen wir daraus?

1. Damit die Bundessteuer überhaupt etwas ausmacht, muss das Einkommen hoch sein.

2. Damit die Bundessteuer verglichen mit der Krankenkassenprämie oder der Miete etwas Nennenswertes ausmacht, muss das Einkommen extrem hoch sein.

Und was passiert nun, wenn die direkte Bundessteuer für Familien gesenkt wird?

1. Familien mit kleinem Einkommen sparen überhaupt nichts.

2. Familien mit hohem Einkommen sparen sehr wenig.

3. Familien mit extrem hohem Einkommen sparen viel.

Doch das war nur das Resultat bei der Reduktion der Bundessteuer. Die hat aber zwei Nebeneffekte: Erstens senkt die öffentliche Hand ihren Anteil an der Finanzierung des Gesundheitswesens, was die Krankenkassenprämien zwangsläufig in weit grösserem Ausmass steigen lässt als die Gesundheitskosten selber. Zweitens wird die Reduktion der Bundessteuer bekanntlich mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer kompensiert.

Unter Einbezug dieser beiden Nebeneffekte führt die familienfreundliche Senkung der Bundessteuer zu folgenden Ergebnissen:

1. Familien mit kleinem Einkommen zahlen empfindlich mehr (Krankenkassenprämien, Mehrwertsteuer).

2. Familien mit höherem Einkommen sparen wenig oder zahlen wenig mehr.

3. Familien mit extrem hohem Einkommen sparen viel.

Nun noch ein Fazit:

1. Wer die Familien bei der direkten Bundessteuer entlasten will, entlastet nur solche mit extrem hohem Einkommen.

2. Wer Familien in prekären Verhältnissen entlasten will, muss zuerst bei den Krankenkassen-Kopfsteuern ansetzen und zweitens bei der Art, wie Kinderabzüge bei den Steuern funktionieren.

Nächste Woche in diesem Theater: der pangalaktische Donnergurgler und seine Wirkung aufs Gehirn beziehungsweise der Versuch, die Steuerpolitik der Linken zu verstehen.


Anschauungssache

Vor jeder Wahl komme ein christlicher Politiker mit einer familienfreundlichen Steuerreform daher, schreibt unser Buchhalter Christoph Kaufmann diese Woche. Er hat Recht: «Familiensteuern - Hier beissen Sie auf CVP-Granit, Herr Finanzminister!», verkündete die C-Partei per Kommuniqué nach Bundesrat Villigers Vorschlag, das Steuerpaket hinauszuschieben.

Christoph Kaufmann schreibt auch, welche Fragen ein Journalist solchen Politikern stellen sollte. Wir haben die Fragen ausprobiert, an CVP-Nationalrat Felix Walker, Vizepräsident der Finanzkommission und Mitglied der Finanzdelegation.

WoZ: Sie sind doch der Familiensteuersenkungsexperte der CVP ...

Felix Walker: Einer davon, ja.

Die CVP verkündet per Plakat: «Familiensteuern runter: Wir ziehen dem Steuervogt die Zähne.»Wie viel würde denn eine vierköpfige Familie mit 60 000 Reineinkommen sparen, und wie viel eine mit 160 000 Franken?

Die Kleinen werden weniger entlastet. Nur, die Philosophie ist ja folgende: Ab Grössenordnung 50 000 fängt die Entlastung an. Nur nimmt sie dann eben zu. Und weil das so ist und weil man denen, die keine Steuern zahlen, nicht auch noch herausgeben kann, macht man für die etwas anderes. Man macht ja auch beim Splitting etwas und erhöht die Kinderabzüge.

Auch davon profitiert nur, wer überhaupt Bundessteuern bezahlt. Die Reichsten sparen einige tausend Franken, Kleinverdiener einige hundert oder nichts.

Dafür haben wir noch etwas Zweites: die Ausbildungszulagen, die erheblich erhöht werden.

Die SP schlägt statt Abzügen Steuergutschriften vor. Pro Kind bezahlt man 1200 Franken weniger Bundessteuer. Wer jetzt schon weniger zahlt, bekommt heraus. Warum zieht die CVP da nicht mit?

Herausgeld für jene, die nichts bezahlen, das dünkt uns jetzt ein wenig schwierig.

Auch diese Familien bezahlen ja immer noch viel Steuern: Kantonssteuern, Gemeindesteuern, Mehrwertsteuern und so weiter

Ein grosser Prozentsatz bezahlt gar keine Steuern.

Keine Bundessteuern. Aber sonst schon.

Ja, aber bescheiden, und das ist auch richtig so.

Der Bundesrat denkt über Steuergeschenke nach. Die Frage ist, wer profitieren soll. Mit Steuergutschriften à la SP käme das Geld zu den kleinen und mittleren Einkommen. Beim Steuerpaket à la CVP gehen 800 Millionen an die 17 Prozent reichsten Haushalte, 500 Millionen an den Rest.

Das Problem haben wir natürlich.

Die CVP spricht in ihren Kommuniqués von einer ausgewogenen Entlastung.

Jaja - ausgewogen in dem Sinn, dass man denen, die keine Steuern bezahlen, keine zusätzliche Entlastung bringt. Sie haben nicht so Unrecht mit Ihrer Argumentation. Aber im Steuerpaket bringen wir das nicht durch.

Gemeinsam mit der SP hätte die CVP Steuergutschriften einführen können.

Jajajaja. Man hat das jetzt bei uns nicht für eine kluge Lösung angeschaut. Das ist auch Anschauungssache, oder? Abgesehen davon, dass es wahrscheinlich sehr viel mehr kosten würde. Wissen Sie, was das sozialdemokratische Modell kosten würde?

Es ist kostenneutral. Bei 1200 Franken pro Kind wären die Ausfälle wie beim Vorschlag des Bundesrates 1,3 Milliarden Franken.

Jaja. Und Sie meinen, das sei das bessere Modell?

Ja.

Tja.

ub.


Zum dritten Teil: Der pangalaktische Donnergurgler oder das linke Hoch auf die Mehrwertsteuer

Zum ersten Teil: Der grosse Steuersenkungsschwindel

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