Angenehmere Lektüre mit weniger langen Zeilen!
Gehilfenschaft zum Steuerschwindel
Der pangalaktische Donnergurgler und seine Wirkung aufs Gehirn oder wie wir uns die Steuerpolitik der SP erklären und was uns sonst noch zu dieser Partei einfällt.
Die Zutaten für den pangalaktischen Donnergurgler sind derart exotisch, dass man durch die halbe Galaxis reisen muss, um sich einen zusammenzumixen (siehe www.vogonen.de/ donnergurgler.htm).
Wer diesen Aufwand scheut, kann die Wirkung simulieren. Dazu belegt man einen Goldbarren mit Zitronenscheiben und lässt sich damit das Hirn aus dem Schädel schlagen. Gegen diese Simulation spricht wiederum, dass sie einen beträchtlichen Reinigungsaufwand verursacht. Darum analysieren wir nun die Steuerpolitik der SP. Das fühlt sich im Kopf gleich an wie der Trick mit dem Goldbarren, doch Ihren Spannteppich können Sie hernach behalten.
Ich habe in der Ankündigung vor einer Woche grossmäulig von den Linken geredet, und nun kommt bloss die grösste der Parteien dran.
Mea culpa - ich hatte dabei den Parlamentszirkus vor Augen. Die echten Linken - die Volksfront, die Befreiungsfront, die Volksbefreiungsfront, die Abteilung Kaffee und Kuchen, kurz: die «Mit deinem Gefasel von Steuergerechtigkeit kannst du doch die-Wirtschaft nicht demokratisieren»-Fraktionen - werden einfach unterschlagen, und das ist nicht mal weiter schlimm, weil die das hier nicht lesen. Die SozialdemokratInnen lesen es wahrscheinlich auch nicht, aber ich schreib es jetzt trotzdem.
Nützliche Idiotin SP
Wir haben ja festgestellt, dass die Steuerpolitik auf Bundesebene Ende der letzten zwei Jahrzehnte sowie die jetzigen und zukünftigen Änderungen zwei Dinge bewirken: erstens, dass eine sehr kleine Gruppe von Spitzenverdienern sehr viel weniger Steuern zahlen muss, sowie zweitens, dass eine sehr grosse Gruppe von Klein- und Normalverdienerinnen immer mehr Steuern zahlen muss.
Dies ist nicht das erklärte, offensichtlich aber das faktische Ziel der bürgerlichen Parteien, die hierzulande je nach Ort und Kammer eine solide bis erdrückende Mehrheit haben. Die SP ist überall in der Minderheit und kann wenig ausrichten. Doch es kommt noch schlimmer: Sie kann die bürgerliche Steuerpolitik kaum angreifen, weil sie dafür mitverantwortlich ist.
Am Kampf in der Abteilung Krankenkassenkopfsteuer liegt es nicht. Schon bevor das KVG da war, plädierten die SozialdemokratInnen ebenso konstant wie erfolglos für einkommensabhängige Steuern (beziehungsweise Prämien, wie das dort heisst, obwohl es Steuern sind, das hatten wir ja schon in Teil 1).
Der Fehler passiert bei der Mehrwertsteuer. Ich muss es hierzu leider noch einmal sagen: Es ist nicht so (zumindest nicht auf Bundesebene), dass die Bürgerlichen tiefere Steuern wollen respektive beschliessen. Sie haben bereits beschlossen, nach der Senkung der (einkommensabhängigen) direkten Bundessteuer die (einkommensunabhängige) Mehrwertsteuer zu erhöhen. Und dabei leistet die SP Unterstützung.
Vom Schädigen des eigenen Rufes
Warum die SozialdemokratInnen auf die Idee kommen, der Erhöhung der Mehrwertsteuer zuzustimmen, darauf kommen wir noch (Ihr Gehirn darf sich freuen). Schauen wir zuerst, was dieser Fehler bewirkt:
Die Steuergeschenke der Bürgerlichen an die Reichen und Superreichen werden durch diese Kompensation überhaupt erst möglich. Die Bürgerlichen brauchen mit ihrer Mehrheit weder den Bund Bankrott gehen zu lassen noch zu erklären, warum nach der Steuergeschenkorgie nun beispielsweise die AHV-Renten gekürzt werden müssen oder der Strassenbau eingestellt oder die Post, Bahn oder Armee abgeschafft usw. usf. Sie können den Spitzenverdienern mit Steuergeschenken ein Mehrfaches der Wahlkampfspenden zurückgeben, weil die SP hilft, das Geld bei den Normal- und KleinverdienerInnen wieder hereinzuholen.
Stellen wir uns einmal vor, die SP würde die Mehrwertsteuererhöhung bekämpfen und ein Referendum ergreifen: Die Bürgerlichen müssten erklären, warum sie jetzt von den Leuten mit kleinen und mittleren Einkommen mehr Geld haben müssen, und dies unmittelbar nach einer milliardenschweren Geschenkorgie für den Millionärsklub. Natürlich würden dann von den jährlich gesparten Milliarden schnell zehn bis zwanzig Millionen - vergleichsweise ein Klacks - in eine Inseratekampagne gesteckt, doch das Gelingen ist nicht sicher (bei der Abstimmung über das Elektrizitätsmarktgesetz klappte es auch nicht).
Das Einstehen der SP für Steuererhöhungen für kleine Einkommen hat noch eine zweite Wirkung: Sie kann im Wahlkampf die bürgerliche Politik, dank der die meisten Leute Jahr für Jahr real weniger Geld haben, nicht angreifen, weil sie diese Politik zum Teil unterstützt. (Und damit sich niemand beleidigt, übergangen oder sonst irgendwie medial misshandelt fühlt, sei es noch einmal gesagt: Im Falle der Krankenkassenkopfsteuer, die die Leute am meisten schröpft, stimmt dies nicht. Dank der SP-Gesundheitsinitiative stimmen wir im Mai über die dringend nötige Neufinanzierung des Gesundheitswesens ab: teils über Mehrwertsteuerprozente, teils über einkommensabhängige Prämien; die Grösse der beiden Teile hat die SP leider nicht genau festgelegt, aber immerhin.)
Der Grund: ein Werbegag!
Und nun also endlich zur Frage des Motivs beziehungsweise zum pangalaktischen Donnergurgler: Warum zum Teufel tun die SozialdemokratInnen so was?
Das geht nicht ohne Exkurs: Ein erfolgreicher SP-Parteipräsident (das gabs mal) lancierte vor zirka acht Jahren mit seinem Dekret, wonach die SP nun für den EU-Beitritt zu sein habe, einen erfolgreichen Werbegag. Er konnte dies umso leichter tun und alle in seiner Partei konnten es umso leichter akzeptieren, als der Wille der SP in dieser Frage seit der EWR-Abstimmung von 1992 keine Rolle mehr spielt. Erst müssten ja die Bürgerlichen auch wollen, dann das Volk und dann noch etliche konservative Kantone, und spätestens daran scheitert die Sache sowieso. Die Forderung nach dem EU-Beitritt wirkte sich somit nur auf das Ansehen der Partei aus, war also Werbung, und wirkungsvolle dazu.
Na und, höre ich Sie rufen, ich spüre überhaupt nichts im Hirn! Es kommt ja schon: Unglücklicherweise sind einige Parteileute selbst auf den Gag hereingefallen und gingen nun davon aus, dass die Schweiz bald in der EU sei. Und in der EU, da müssen alle eine Mehrwertsteuer von mindestens sechzehn Prozent haben.
Da gilt es aufzupassen: Die Bürgerlichen wollen ja schon längst die einkommensabhängige direkte Bundessteuer ganz abschaffen und durch eine fette Mehrwertsteuer ersetzen - im Rahmen der Umverteilungspolitik von unten nach oben. Sobald die Schweiz in der EU ist, ist diese Mehrwertsteuer auf einen Schlag da, und dann ergreifen die Bürgerlichen die Gelegenheit und tilgen die Bundessteuer, und dann haben wir den Salat.
Diese Befürchtung ist gleichzeitig berechtigt und unbegründet. Berechtigt, weil dies tatsächlich das Ziel der Bürgerlichen ist. Eine entsprechende parlamentarische Initiative wurde 1995 eingereicht und im Rahmen des runden Tisches später wieder zurückgezogen. Nun wird die Umverteilung scheibchenweise durchgezogen.
Unbegründet ist die Befürchtung deshalb, weil ein EU-Beitritt erstens nicht absehbar ist und zweitens nur mit Zustimmung der SP durchkommt (weil nur ein Teil des bürgerlichen Stimmvolks dafür ist). Die SP könnte ihre Zustimmung also verkaufen (zum Beispiel gegen die Versicherung, dass die neuen Mehrwertsteuerprozente nur mit einer Senkung degressiver Steuern und Abgaben wettgemacht werden).
Die Folge: Freude herrscht im Millionärsclub
Das war ein kurzer Einschub Realität, wir gehen jetzt zurück in die Welt der SP. Ihre Strategie gegen das, was die Bürgerlichen am Tag nach dem EU-Beitritt gemeinerweise tun können, nämlich die Bundessteuer abschaffen, weil dann ja eben die Mehrwertsteuer höher ist, geht so: Wir erhöhen die Mehrwertsteuer schon im Voraus immer ein bisschen, bis wir ganz ohne EU auf sechzehn Prozent sind, und reservieren das ganze Geld für die AHV oder etwas Ähnliches. Dann können es die Bürgerlichen nicht mehr brauchen, um die direkte Bundessteuer abzuschaffen.
Und so kommt es denn: Man erhöht die Mehrwertsteuer und sagt, das sei dann im Fall für die AHV. Und beschliesst, weil es so schön ist, bereits die nächste Erhöhung. Die AHV ist gerettet. Wunderbar, finden die Bürgerlichen, dann können wir ja die direkte Bundessteuer für die Reichen senken, ohne dass uns jemand vorwerfen kann, wir nähmen den Leuten die AHV-Rente weg.
Dass der Bund - ob nun exklusive oder inklusive AHV - mit den hohen Steuerausfällen bei der direkten Bundessteuer Probleme bekommt, ist kein Grund zur Unruhe. Dann müsse man halt die Mehrwertsteuer wieder erhöhen, sagen bürgerliche Meinungsführer im Parlament ganz offen. Warum auch nicht? Es ist ja niemand dagegen.
Der gleiche Fehler in allen Gebieten
Ich habe mir vorgenommen, auch sonst noch etwas über die SP zu schimpfen, doch tue ich es ungern. Erstens bin ich hundemüde, zweitens habe ich mir auf Glatteis das Schienbein ramponiert, drittens sollen diese Betrachtungen nicht mit wüsten Worten enden, viertens möchte ich einen Schluss wie bei «Hey Jude» von den Beatles, weil mir nämlich kein sinnvolles Ende einfällt.
Also denn: Am 24. November 2002 gab es eine Volksabstimmung mit zwei Vorlagen (die SVP-Asylinitiative und die Revision der Arbeitslosenversicherung). Die Lager sahen so aus: Im einen Fall alle gegen die SVP, im andern Bürgerblock gegen SP. Die eine Anordnung ist die Ausnahme, die andere die Regel.
Wenn Sie auf Schurnis und PolitikerInnen hören, so erhalten Sie den Eindruck, alle gegen die SVP sei die Regel.
Wenn Sie die politischen Entscheidungen der letzten zwanzig Jahre betrachten, sehen Sie auf den ersten Blick, dass «alle gegen die SVP» eine seltene Ausnahme ist und fast immer nur symbolische Dinge betrifft. Da wird debattiert über die Mitgliedschaft in der Uno, über ein EU-Beitrittsgesuch, das kein Mensch ernst nimmt, über die Volkswahl des Bundesrats, das Wirken einer Kompanie Soldaten im Kosovo, kurz: über Dinge, die sich wunderbar für Leitartikel eignen (auch in der WoZ) und in der real existierenden Küche beziehungsweise vor dem Postomaten völlig bedeutungslos sind.
Achten Sie hingegen auf die Entscheide, die auf das Leben der meisten Menschen konkrete Auswirkungen haben - das Mietrecht mit der Zinsspirale, das Gesundheitswesen mit seiner Kopfprämienkatastrophe, die stagnierenden Löhne oder auch die Verkehrspolitik mit der Verlärmung aller, die keine Villa im Grünen haben, nebst all den Steuergeschichten, mit denen ich Sie seit drei Wochen quäle -, so sehen Sie das übliche Mehrheitenmuster: Der Bürgerblock überstimmt eine linke und grüne Minderheit.
So werden seit Jahrzehnten sämtliche wesentlichen (nicht symbolischen) Entscheidungen in diesem Land getroffen. Sie haben zur Folge, dass Lebensqualität und Kaufkraft immer grösserer Bevölkerungsteile ständig sinken. Es gibt nichts Normaleres, als die Stimme nicht dem Lager zu geben, das einem dies eingebrockt hat, sondern einer Alternative.
Naaa, Na, Na, Nanananaaaah...
Nanananaaaah
Und wo ist die Alternative? Sind es diejenigen, die gegen all das eintreten und immer überstimmt werden? Mitnichten. Die laufen im Land herum und finden, dieser Staat sei ihr Staat. Linke und Grüne wären die Alternative zur heutigen Politik, aber zumindest die SP tut so, als gehörte sie zum System. Das ist nicht nur unnötig, es ist falsch und rufschädigend.
Die SVP gehört fest zum bürgerlichen Regierungslager. In allen wesentlichen Fragen erreicht sie mit ihren Partnern die Mehrheit. Das hat nichts mit fehlendem Mut oder Stil der Liberalen zu tun, wie neuerdings sogar in der WoZ geleitartikelt wird, sondern mit gleichen Interessen (Regel Nummer eins: Folge dem Geld). Dass diese Partei sich als Alternative anbietet und die Unzufriedenheit der Leute über die Auswirkungen ihrer eigenen Politik nutzen kann, ist nicht ganz so absurd, wie es anmutet: Die SP mit ihrer Regierungsbeteiligung, mit ihrer Identifikation mit einem Staat, der alle ihre Anliegen abschmettert, schafft erst die Voraussetzung dazu.
Hinwiederum: Wäre die Welt eine bessere, wenn die hiesigen SozialdemokratInnen sich als die Opposition begriffen, die sie in Wirklichkeit sind? Stimmen gewinnen und irgendeinmal tatsächlich an die Regierung kommen wie der PCI aka PDS in Italien, Labour im verunreinigten Königreich oder die Sozis im grossen Kanton? Und sind wir nicht alle die Tiraden eines dahergelaufenen Buchhalters leid? Könnte da nicht jeder kommen? Und gehören diese Ausfälle nicht dorthin, wo sie zuerst erschienen: ins WoZ-Tagebuch?
Ich gehe ja schon. Doch bedenken Sie: «Wir alle, die wir träumen und denken, sind Buchhalter und Hilfsbuchhalter in einem Stoffgeschäft oder in irgendeinem anderen Geschäft in irgendeiner Unterstadt. Wir führen Buch und erleiden Verluste; wir ziehen die Summe und gehen vorüber; wir schliessen die Bilanz, und der unsichtbare Saldo spricht immer gegen uns» (Fernando Pessoa).
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